Finnisches Naturparadies bleibt von globalen Problemen nicht verschont
Die schier unendlichen Weiten der finnländischen Seenlandschaft erleben die Detmolder Gäste bei einer Bootstour in den Nationalpark Linnansaari. (Stadt Detmold)
Detmolder Delegation reist nach Savonlinna – Bürgermeister Frank Hilker plant branchenspezifisches Programm, von dem beide Partnerstädte profitieren
Eine Strecke von etwa 2300 Kilometern Länge liegt zwischen der Stadt Detmold und ihrer finnischen Partnerstadt Savonlinna. Die Anreise ist lang, doch die Naturschönheiten des Landes, die verträumten Orte idyllischer Versunkenheit und die Gastfreundlichkeit der Menschen lohnen den weiten Weg allemal. Das 20-jährige Städtepartnerschafts-Jubiläum, zu dem Gäste aus Finnland im vergangenen Jahr nach Detmold gekommen waren, wurde 2024 im Rahmen der Europafeier beim zweiten Ortsteilfest in Herberhausen gefeiert. In der vergangenen Woche war nun die Zeit für den Gegenbesuch gekommen. Gemeinsam mit einer kleinen Delegation aus der Verwaltung reiste Bürgermeister Frank Hilker auf Einladung der finnischen Freunde nach Savonlinna.
Savonlinna liegt in der ostfinnischen Landschaft Südsavo, 330 Kilometer nordöstlich von Helsinki und inmitten der Finnischen Seenplatte. Birken- und Pinienwälder, soweit das Auge reicht – dazu unfassbar viele Seen, im gesamten Land sind es mehr als 188.000. Allein 8000 Inseln und „Inselchen“ gibt es in der Region um Savonlinna. Und etwa 40 Prozent der rund 3600 Quadratkilometer großen Stadt besteht aus Wasserwegen.
Im Nationalpark Linnansaari, den die Detmolder Gäste mit dem Boot erkunden dürfen, hat es Bürgermeister Frank Hilker besonders die süße Ringelrobbe angetan. Von ihrer Sorte gibt es gerade einmal 500 Exemplare. Sie alle leben inmitten des Saimaa-Sees mit seiner atemberaubenden Schärenlandschaft – und zwar nur hier. Fast märchenhaft arrangieren die Gastgeber ein traditionelles finnisches Picknick in wilder Natur – ohne Strom und fließendes Wasser, mit frisch geräuchertem Fisch und über Feuer gebratenen Kartoffeln.
Savonlinna ist stolz auf eine Reihe von Sehenswürdigkeiten, allen voran die 550 Jahre alte mittelalterliche Festung Olavinlinna, die seit Jahrzehnten in jedem Sommer Schauplatz der europaweit beachteten Opernfestspiele ist. Gerade ist das Team um die künstlerische Leitung dabei, das Bühnenbild für die Puccini-Oper „Turandot“ zu bauen. Etwa 60.000 Besucherinnen und Besucher erleben zwischen Anfang Juli und Anfang August dort mindestens eine der fünf Opern dieser Saison. Jede Show des Festivals ist darauf ausgerichtet, die Architektur und den Klang der Festung optimal zur Geltung zu bringen.
Im Rathaus der Stadt empfängt der amtierende Bürgermeister Markus Hämäläinen seine Freunde aus Detmold. Auch eine Delegation aus dem Haidian District der Stadt Peking, den Finnen ebenfalls durch eine Städtepartnerschaft verbunden, ist gerade in Savonlinna zu Gast. Sowohl die Finnen als auch die Chinesen sind nach einer Präsentation des Detmolder Bürgermeisters sehr an Deutschlands grünster Stadt interessiert und daran, wie Detmold sich in den vergangenen Jahren entwickelt, neue Schwerpunkte gesetzt, Probleme angepackt und gelöst hat. Leerstand ist im Zentrum Savonlinnas ebenso ein Thema wie in Peking. Die Detmolder Idee, hier mit gezielter Förderung nachhaltig gegenzusteuern, regt international zu Nachahmen an.
Wie auch anderswo in der Welt sind die Probleme in Savonlinna vielfältig: der drastische Geburtenrückgang, 15 Prozent Arbeitslosigkeit und zu viele Menschen, die der Region nach der Ausbildung oder dem Studium den Rücken kehren. Dabei ist Savonlinna die selbst erklärte „City of education“ (Stadt der Ausbildung) mit etwa 4500 Studierenden an der Universität für angewandte Wissenschaft, mit einer renommierten Berufsschule, dem Savonlinna Music- and Dance Institute sowie der Music Academy. Und wenn man das Naturidyll so anschaut, ist es fast unverständlich, warum Menschen ihren Lebensmittelpunkt anderswo hin verlegen.
Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste internationale Krise bricht sich im gesamten Land Bahn. Finnland und Russland teilen eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze, die seit eineinhalb Jahren vollständig geschlossen ist. Keine 80 Kilometer weit von Savonlinna war einst der Grenzübertritt möglich. Dass hier aktuell nichts mehr geht, spüren die Finnen insbesondere im Ostteil des Landes schmerzlich: Soziale Verbindungen sind räumlich gekappt. Und auch der Tourismus ist stark eingeschränkt, weil Menschen aus Russland derzeit keine Urlaubsvisa für den Aufenthalt in Finnland erhalten.
Gemeinsam mit Verantwortlichen aus beiden Verwaltungen will Bürgermeister Frank Hilker nun ausloten, in wieweit aus der Städtepartnerschaft mit Savonlinna demnächst eine „Win-Win-Situation“ hervorgehen kann, in der einerseits arbeitssuchende Finnen in Beschäftigung kommen und andererseits der Fachkräftemangel in Detmold verringert wird – analog zu dem mit Spanien laufenden internationalen Programm zur Gewinnung von Fachkräften, in dessen Rahmen aktuell spanische Erzieherinnen in Detmolder Kitas beschäftigt sind. Frank Hilker: „Wenn wir hier branchenspezifisch etwas auf die Beine stellen, das beiden Städtepartnern hilft, bauen wir unsere Freundschaft auf einer ganz neuen Ebene aus. Das würde mich sehr freuen!“